Über d’Grenz

 

Text: Mirko Boysen

Foto: Benedikt Seidl

 

Brückenbauer Emil Kronschnabl über die Geschichte des wirtschaftlichen und kulturellen Austauschs mit dem Nachbarland Tschechien.  Als Kurdirektor von Zwiesel setzte sich Emil Kronschnabl jahrelang für den kulturellen Austausch und die Verständigung zwischen den Bewohnern der Grenzregion ein. Dafür erhielt er 2014 den Ehrepreis "Brückenbauer – Stavitel mostu“ des Vereins Bavaria Bohemia. 

Warum ist dir der kulturelle Austausch über die Grenzen hinweg so wichtig?

 Er ist mir so  wichtig, weil ich kann immer noch sehen wieviel wir in unserer Region von Tschechien haben. Das fängt beim Essen und Trinken an bis hin zu den Sitten und Gebräuchen. Das ist fast identisch zu den Unsrigen. Auch war und ist der kulturelle Austausch wichtig. Ich bin zum Beispielen mit der Musik von Nord bis Südböhmen unterwegs. Die haben einen ganz anderen Stil. Wir haben einen sehr gleichförmigen Stil, währenddessen die tschechischen Musiker viel öfter innerhalb der Harmonik wechseln. Mittlerweile spielen wir deutschen Musiker sehr viel böhmische Sachen. Weisst du eigentlich, dass Rosemunde eigentlich ein tschechisches Lied ist und škoda lásky (dt. Schade um die Liebe) heißt? Es gibt so gibt es viele böhmische Dinge die als deutsch Verkauft worden sind. Ich finde, man ist sich näher als man denkt. Das müssen wir aufleben lassen, da die Jugend es nicht mehr weiß.

 

Und nebenbei: wir sind ihnen so nahe. Zumindest mir sind sie näher als Österreicher. Da muss ich eine Stunde fahren bis ich in Österreich bin.

 

Was ist denn dein persönlicher Bezug zur Tschechischen Republik? 

Das kommt daher, dass ich weiß, dass wir über Jahrhunderte hinweg eine gemeinsame Kultur hatten. Man hat hinüber und herüber geheiratet. Die Grenze war zwar eine Grenze, aber mehr fiktiv. Es gab zwar Grenzsteine, aber das hat nicht wirklich gezählt. Man ist einfach rüber gegangen. Dann haben sehr viele Leute, gerade hier in unserem Eck im Bayerischen Wald, verwandtschaftliche Beziehungen nach Tschechien. Zum Beispiel meine Oma kam aus Hamry. Da war eine Glasfabrik und da war ihr Vater als Glasgraveur tätig. 1890 diese Hütte da drüben abgebrannt. Und dann ist der mit Kind und Kegel hier rüber und hat bei uns in Theresienthal bei Poschinger gearbeitet. Dort hat er meine Oma kennengelernt. Also es gibt da ganz enge Verbindungen. Das ist ja immer fortgegangen, es gab einen ständigen Austausch im Handwerk. Glas war ja drüben genauso präsent wie bei uns. Also sind drüben Leute zu uns rüber, wenn bei uns mehr zu verdienen war. Und umgekehrt sind unsere genauso darüber, wenn drüben mehr zu verdienen war. Heute würde man sagen, das ist Technologietransfer. 

 

Eigentlich nicht anders als heute also. Zwischenzeitlich war natürlich wenig mit Austausch, nach dem Weltkrieg und während des kalten Krieges.

Ja, da war zwischenzeitlich natürlich alles zu, alles kaputt. Und jetzt wo die Grenze wieder offen ist habe ich gesagt: „Ja das sind unsere Nachbarn, wir haben so viele Beziehungen miteinander gehabt, von der Küche bis zur Verwandtschaft. Jetzt müssen wir doch versuchen gemeinsam wieder irgendwas auf die Reihe zu kriegen.“ Und deswegen habe ich auch den Verein Über d’ Grenz gegründet. Wir machen viele Projekte, für die wir immer einen tschechischen Partner suchen. Ob das der Fotoclub Glatau ist oder die Volksschule in Sušice, spielt überhaupt keine Rolle. Je nachdem, was wir halt für Projekte haben. Und dann machen wir was. Ich mache ja leidenschaftliche gerne Musik und ich habe sehr viele Verbindungen zu Ensembles drüben. Und da fahren wir viel rüber, jetzt zum Beispiel Anfang August. Da ist in Kašperské Hory die Kirchweih. Und seit 10 Jahren, oder noch länger, gehen wir da hin, spielen mit den Tschechen, bei deren Kirchweih. Die kommen zu uns, spielen mit uns hier. Und wir saufen miteinander, sag ich mal ganz ehrlich.

 

Ihr habt dann ja zum Thema Schmuggel die Bücher rausgebracht. Kannst du das zeitlich einordnen. Wann war denn die Hochzeit des Schmuggels in der Region?

 Die große Zeit war noch bis 1930 oder ein bisschen vor 1930. Wir sind ja nach dem Krieg noch bis in die 60er Jahre hier Notstandsgebiet gewesen im Bayerischen Wald. Und das sagt schon alles, Not. Die Leute haben nicht geschmuggelt, weil sie gerade Lust hatten irgendetwas anzustellen.

 

Der Bayerische Wald war ja damals das sogenannte Armenhaus Deutschlands. 

Ja, das Armenhaus in Bayern waren wir. Und dann hat man eben geschmuggelt. Und geschaut, was haben wir, zum Beispiel Zucker. Der war drüben Mangelware. Deswegen gab es den Saccharin Handel. Man hat also das Saccharin geschmuggelt, den Süßstoff. Salz war drüben auch Mangelware, schon seit Urzeiten. Die Bischöfe von Salzburg haben ihr Salz schon nach Böhmen gebracht. In Böhmen gibts keine Salzvorkommen. Also haben die das innabwärts bis Passau, donauaufwärts bis Niederalteich, Deggendorf, Metten und dann hier über die Berge. Drum gibt’s also heute noch diesen Wanderweg. Und drum ist Zwiesel auch entstanden. Wenn die mit ihren Saumpferden kamen, dann kannst du in einer Tagesetappe maximal 30, vielleicht 40 Kilometer zurücklegen. Und in Zwiesel war so ein Tagesetappe.

 

Dann haben die Säumer also direkt hier bei euch Zwischenhalt gemacht. 

 Die war dort, wo heute die Mittelschule ist. Es war der Burgstall, eine Befestigung. Und da haben die Säumer, die das Salz von Deggendorf übernommen haben, um es nach Böhmen nach Pilsen, oder wo immer hinzu bringen, übernachtet. Deswegen war Zwiesel auch eine Mautstelle, da wurde auch noch abkassiert. Das war aber schon um die Jahrtausendwende. Und das hat sich für verschiedene Mangelwaren gehalten. Tschechische Rinder waren bei uns sehr gefragt. Man hat also viele Rinder rüber geschmuggelt. 

 

Und wie kann man sich das vorstellen, wie findet das statt? Wie schmuggelt man Rinder? Man treibt die ja nicht einfach über die Berge oder?

Zuerst hat man geschaut: „Aha, die brauchen jetzt Saccharin oder Zucker. Also hat man versucht bei uns Zucker zu bekommen oder hatte schon einen. Und dann hat man zum Beispiel fünf Kilo Zucker in den Rucksack gesteckt. Dann haben sie sich überlegt, wie kommen wir rüber, ohne, dass uns die Grenzer erwischen. Denn wenn es offiziell über die Grenze ginge, müssten sie ja Zoll zahlen. Und das konnte man sich nicht leisten. Also geht man rein und macht ein besseres Geschäft. Das was der Staat nimmt, gehört uns. Also hat man diese verschlungenen Pfade gefunden. Die Schmuggler wussten das genau und haben sich dann auch auf die Lauer gelegt, bis die Zoll-Patrouille vorbei war. Und dann sind sie rüber. Natürlich wurden auch welche erwischt. Da gab es dann auch schwerste Strafen. Das ging soweit, dass sie ihre Häuser und Höfe hier verloren haben, wenn sie erwischt wurden.

 

Ich habe da ja eine etwas romantisierte Sicht drauf. Aber klar, das hatte natürlich auch Konsequenzen für die Leute, die da erwischt wurden. 

Natürlich, schwerste Konsequenzen. Da wurde der Familienvater erwischt, dann stand die Frau alleine da mit fünf, sechs oder acht Kindern. Und dann haben die den zehn Jahre eingesperrt. Bloß, weil er eine Ziege oder eine Kuh rübergebracht oder hergeholt hat. Das war schwierig. 

 

Die Zöllner waren ja auch Teil der Bevölkerung. War das dann nicht eine komische Dynamik, in einer Region, die ja eh schon sehr zu kämpfen hatte.

Ja, da gab’s dann natürlich die ganz Linientreuen. Und es gab auch welche, die haben auf einem Auge nicht so gut gesehen. Aber das ist wie gesagt immer so gewesen. Es war aber immer ein Vergehen, das muss man schon sagen. Es war nie legal. Die haben sich die Gesichter geschwärzt, damit sie bei Nacht nicht erkennbar sind, wenn sie da rüber gehen. Deswegen auch die Schwirzer, da kommt das Schwirzen, das Schmuggeln her. Und das hat sich halt über die Zeiten hinweg entwickelt. Und das haben wir natürlich bis heute noch. Nur geht man heute nicht mehr über den Berg, wer macht das schon. Heute fährt man mit dem Auto. Und es wird Ecstasy und sonst was gehandelt.

 

Wie wichtig war denn der Schmuggel wirtschaftlich

Ums Überleben, es ging schlichtweg ums Überleben. 

 

Wir haben da auch eine Geschichte gehört, dass es da so eine jährliche Prozession gab.

Jaja, den habe restauriert, den Saccharin Heiligen.

 

Was ist denn da die Geschichte dahinter?

Also in der Finsterau, direkt an der tschechischen Grenze hinten, da gab’s, nachdem ja die Grenze damals ganz normal zu übertreten war, da gab’s keine Probleme, wenn du legal da rüber bist. Wenn du nichts geschmuggelt hast, durftest du einfach rüber über die Grenze. Und dann haben die Prozessionen veranstaltet, nach Böhmen. Der Pfarrer ist voran gegangen, der Fahnenträger hinterher, fünf Ministranten. Und dann hatten die einen großen Heiligen, den heiligen Nepomuk, mit 1,85m, also größer wie ich. Ich habe ihn restauriert, deswegen weiß ich wie groß der ist. Den haben sie von hinten ausgehöhlt, dass nur noch vorne die Fassade da war. Vergoldet natürlich auch und schön, wunderbar. Und dann haben die Prozessionen gemacht, haben hinten in den Hohlraum rein Saccharin und die Decke drauf. Sodass man überhaupt nicht gemerkt hat, dass der hohl ist. Man hat das zugemacht. Und dann ist der Pfarrer voran und die Klosterfrauen hinterher. Und alle sind mit der Prozession rüber nach Böhmen. Und drüben haben sie ausgepackt.

 

Und das ist aber nie aufgeflogen?

Ist nie aufgeflogen. Oder man hat ein Auge zu gezwickt. 

 

Und hat der Pfarrer dann da mit abkassiert?

Das wissen wir nicht. Wer da verdient hat, wer das Saccharin geliefert hat und wer die Bezahlung bekam und ob der Pfarrer da was bekommen hat, das wissen wir nicht. 

 

Man war also durchaus kreativ, wenn es um’s Schmuggeln ging. 

Natürlich war man erfinderisch. Das kommt in unserem Buch in den einzelnen Geschichten zum Ausdruck. Wie die versucht haben sich gegenseitig auszutricksen. Die Zöllner unsere oder Unsere die Zöllner. Da kamen ganz kuriose Sachen dabei raus. Dass die zum Beispiel wissen ließen, dass da irgendwas geht und der Zoll da riesig aufmarschiert ist. Und dann hatten die nur Sägespäne in den Säcken. Und die haben sie alle ausgekippt, weil sie gedacht haben, in den Sägespänen sei etwas drin. Und bis die das ausgekippt hatten ist da Kilometer weiter Vieh über die Grenze getrieben worden. Das sind eben diese vielen Geschichten.

 

Hat man zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Dinge geschmuggelt? 

Das geht aus den Büchern nicht hervor. Was war gerade drüben Mangelwaren und wenn sie es hatten mussten etwas andere schmuggeln. Und was man geschmuggelt hat war immer gleich. Bei uns waren die böhmischen Viecher und Gewänder und das hat sich nicht verändert. Das kann man so nicht sagen. Jetzt ist es anderes. Jetzt schmuggelt Mann Drogen.

 

Welche Positive Effekt hat das schmuggeln?

Ja, ich glaub, das positive das ich dran sehe, dass die zwischenmenschlichen Belange intensiviert wurden. Man war im Wirtshaus und dadurch entstand die ein oder andere leison. Und es gab böhmische Frauen die eine deutschen geheiratet hat. Die verwandtschaftlichen Kontakte sind durch kontakte entstanden… und unter anderem auch beim Arbeiten, wenn von Deutschland jemand zum lehren rüber gegangen ist, hat etwas gelernt. Heute würde man es Technologietransfer nennen. Und wie wir war von denen gelernt haben die Techniken von uns nach drüben gelernt. Was nur nicht gestattet war was das schmelzen. Die Schmelzers die durften nichts verraten, wenn sie das getan haben wurden jenen der Kopf abgeschlagen. Da hatte jeder Schmelzers sein Geheimnis. Wie entstanden das rubinrot. Unter er Marie Theresa wurde ihnen der Kopf abgehakt. 

 

Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie war das neben der Grenze zu leben.

In den 50er Jahren waren die Grenze zu. Meine Tochter kann sich nicht vorstellen wie das war als wir nicht drüber gehen durfte. Da ist Wald, man sieht d Grenzsteig und manchmal eine Tafel mit Landesgrenze, aber man jedes Mal #rünert und wenn ich rüber geht tut mir niemand was. Ich weiß einen Schulkameraden haben sie eingesperrt, weil er über die Grenze ist. Da haben sie ihnen gefunden und 6 bis 7 abwichen eingesperrt. Das war in den 60 und 70er Jahren. Den haben sie eingesperrt.

  

Wie war denn die Grenzöffnung?

 

Wir haben die Grenze erlebt. Wir wussten wir durften nicht rüber. Wir haben erst viel später mit dem Visum reindürfen, aber in den 640 und 60 er nicht, wir wussten, wenn wir am Araber waren und haben sie gesehen und wir wussten das sind sie bösen Kommunisten, das wurde uns so in dem Kinderheim junger vermittelt. Und die dachten von uns die bösen Kapitalisten.

 

Wie wurde die Grenze geöffnet.

Ja das weiß ich noch, Da war ich dabei. Das war einen Riesen gechincht. Da war die Grenze nicht offen. Da war schon die Menschenkette auf deutscher und tschechischer Seite, schon tage vorher. Das war 83. hand ind hand und es gba eine menshcenkette auf der tscheshcichen seite. Und an diesem Tag war die Grenze schon offen, Nicht offiziell naer die msnchen sind von einer seite auf die andere. Auf der unsere Seite gab es eine DM du die mussten zusperren, Denn so viele tschechen waren in dem laden und wollten rein. Die wollte seife. Wir haben immer gesagt die Tschechen stinken, aber erst später erfuhren wir das sie Tschechen oft wochenlang keine seife bekamen.